Warum sich Gendern für Unternehmen lohnt

Sternchen, Doppelpunkt, Schrägstrich oder neutrales Wort? Die gendergerechte Sprache ist in aller Munde. Völlig zu Recht, denn Sprache beeinflusst das Denken. Und so gehen Gendern und Gleichstellung Hand in Hand. Eine Erkenntnis, die bei Adacor am Anfang des spannenden Weges Richtung geschlechterneutrale Sprache stand.

Was denke ich, wenn ich die Aufschrift „Busfahrer gesucht“ auf einem Bus des ÖPNV-Unternehmens meiner Stadt lese? Selbst wenn heutzutage alle Stellenanzeigen geschlechtsneutral formuliert werden müssen, sehe ich vielleicht unweigerlich den brummigen Busfahrer aus Kindertagen vor mir, der damals den Schulbus lenkte?

Sprache sei das „bildende Organ der Gedanken“, schrieb der Sprachforscher Wilhelm von Humboldt Anfang des 19. Jahrhunderts. Noch extremer sah der Philosoph Ludwig Wittgenstein den Einfluss der Sprache auf das Denken, als er rund ein Jahrhundert später postulierte: „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“. Was nicht in Worte zu fassen ist, liegt also außerhalb meiner Wahrnehmung. Mittlerweile ist allerdings erwiesen, dass der Zusammenhang nicht ganz so extrem ist. So können wir in manchen Situationen ohne Sprache denken: Dazu zählt etwa das Lösen von Aufgaben in einem IQ-Test.

Es verwundert jedoch nicht wirklich, dass uns beim Lesen von Stellenanzeigen wie im oben genannten Beispiel keine Frau in den Kopf kommt, oder? Hier kommt die genderneutrale Sprache ins Spiel: Wenn ich geschlechterneutral spreche, beziehe ich gedanklich alle mit ein und werde entsprechend handeln. Umgekehrt drücken wir beim Gendern aus, dass alle Geschlechter – weiblich, männlich und divers – gleichgestellt sind.

Einige Tipps: So klappt’s mit dem Gendern

  1. Verstehen, welche Assoziationen und Denkmuster Sprache auslöst
  2. Durch interne Kommunikation alle Mitarbeitenden einbeziehen und die Notwendigkeit zum Gendern erklären
  3. Ansprechpersonen (zum Beispiel aus den Bereichen Personal und Marketing) für Fragen und Hilfe bei Formulierungen benennen
  4. Aktionen zu Diversität anstoßen, die alle Mitarbeitenden für das Thema sensibilisieren
  5. Die „neue Sprache“ schriftlich im Wording Guide fixieren
  6. Das Thema agil und gerne auch mal bunt angehen

Gleichstellung heißt auch Gendern

Bei uns im Unternehmen ist die Gleichstellung der Geschlechter längst in Fleisch und Blut übergegangen. Dass Geschlecht, Alter, Herkunft oder Stellung im Umgang miteinander keine Rolle spielen, leben wir an jedem Arbeitstag. Darüber hinaus haben wir das Thema schriftlich in den ethischen Grundsätzen unseres Nachhaltigkeitsberichts im Rahmen des UN Global Compact fixiert. Flagge für Diversität haben wir zusätzlich beim Diversity Tag im Mai diesen Jahres gezeigt und die Charta der Vielfalt unterzeichnet.

Nun geht es darum, jeden mit einer gendergerechten Sprache gleichermaßen einzubeziehen. Wir beschäftigen uns schon seit einigen Jahren mit dem Thema Gendern. Gleichstellung leben wir ganz selbstverständlich. Lange Zeit haben wir uns jedoch wenig damit auseinandergesetzt, wie wir unsere Haltung auch in unserer Sprache zum Ausdruck bringen können. Die politische Diskussion um das diverse Geschlecht hat auch bei uns viel angestoßen.

Erste Erfahrungen und Maßnahmen

Und so starteten wir einfach aber wirkungsvoll, indem wir die WCs mit fröhlichen Schildchen als genderneutral markierten. Das sorgte schnell für Aufmerksamkeit und einen ersten Aha-Effekt bei den Kolleginnen und Kollegen. Zudem haben wir Postkarten und T-Shirts mit witzigen Motiven zum Thema Vielfalt entworfen. Diese Aktionen kommen bei allen gut an und halten das Thema im Unternehmen präsent.

Und so starteten wir einfach aber wirkungsvoll, indem wir die WCs mit fröhlichen Schildchen als genderneutral markierten.
Und so starteten wir einfach aber wirkungsvoll, indem wir die WCs mit fröhlichen Schildchen als genderneutral markierten.

Bei Stellenanzeigen auf Geschlechterneutralität zu achten, ist seit längerem Pflicht. Damit die Notwendigkeit zum Gendern tatsächlich das ganze Unternehmen durchdringt, haben wir das Thema frühzeitig kommuniziert. Beispielsweise haben wir durch Posts im Intranet alle Mitarbeitenden einbezogen. Mittlerweile ist die neutrale Sprache in unserem Wording Guide fixiert. Die Anpassungen erstrecken sich auf interne Dokumente wie Vorlagen oder Präsentationen genauso wie auf externe Veröffentlichungen wie etwa Blogposts inklusive Videos. Wenn es darum geht, interne Inhalte gleichstellend zu formulieren, stehen wir in den Bereichen Personal und Marketing allen Mitarbeitenden abteilungsübergreifend mit Rat und Tat zur Seite. Denn für die Mitarbeitenden ist es natürlich eine Herausforderung, wenn sie sämtliche Inhalte gleichstellend formulieren wollen. Noch schwieriger ist es, externe Dokumente wie zum Beispiel Artikel für die Tages- und Fachpresse geschlechtsneutral zu verfassen, da gendergerechte Texte meist schlechter lesbar sind.

Gendern versus Lesbarkeit

Gerade dort liegt die Krux: Veröffentlichungen wie Artikel oder Presseinformationen sollen in erster Linie schnell verständlich und gut lesbar sein. Schrägstriche wie bei Mitarbeiter/-innen oder Gendersternchen wie bei Mitarbeiter*innen sind Stolpersteine im Lesefluss. Eine weitere Variante wäre die Doppelbenennung der Geschlechter, also „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“. Zudem kommt der Zusatz (m/w/d) in Frage. Der Königsweg (übrigens ein wenig geschlechtsneutraler Begriff) besteht in der Nutzung neutraler Begriffe. Beim Beispiel funktioniert das gut: „Mitarbeitende“ hat sich bei uns bereits etabliert. Andere Beispiele, wann neutrale Sprache problemlos funktioniert, sind Belegschaft, Studierende, Lehrende oder Vorgesetzte.

Kreativität ist gefragt

Wann immer es möglich ist, nutzen wir bei Adacor in der Kommunikation genderneutrale Formulierungen. Diese beziehen als einzige Möglichkeit, neben Konstruktionen mit Genderstern, alle Geschlechter mit ein und sind gut lesbar. Wann immer es keinen neutral codierten Begriff gibt, ist Kreativität im Umgang mit der Sprache gefragt, sodass halbwegs runde Formulierungen entstehen. Das gilt vor allem für die externe Kommunikation. Wir versuchen, das Gendern so konsequent wie möglich je nach Medium umzusetzen. Solange uns die Sprache keine besseren Möglichkeiten bietet, mag das auch mal bedeuten, nicht jeden Begriff zu gendern. Doch der Wille und Zeitaufwand, gleichstellende Formulierungen zu verwenden, werden sich am Ende bemerkbar machen: Dann werden Texte, selbst wenn sie nicht jedes Wort neutral darstellen, dennoch als gleichstellend aufgefasst.

Fazit: Der Weg ist das Ziel

Sprache hat einen entscheidenden Einfluss auf unser Denken und Handeln. Indem wir gendern, beziehen wir alle Geschlechter mit ein und werden daher immer gleichstellender denken und handeln. Dass es in Sachen Gleichstellung in der Arbeitswelt (hier von Frau und Mann) noch immer viel zu tun gibt, zeigt eine Studie des Frauennetzwerks Alsterloge und der Stellenbörse stellenanzeigen.de: Über die Hälfte der Befragten findet Gleichstellung als Teil der Unternehmenskultur wichtig, aber nur 30 Prozent sind zufrieden mit der Umsetzung in ihrem Unternehmen. Vor allem Frauen fühlen sich nicht gleichberechtigt behandelt und gefördert.

Gleichstellende Sprache ist ein Lernprozess, der gerade erst am Anfang steht. Das sieht auch der Rat für Deutsche Rechtschreibung so: Gendergerechte Sprache befinde sich erst in der Erprobungsphase und solle weiter beobachtet werden. Zwar wurden Empfehlungen erarbeitet, in das Regelwerk der Deutschen Sprache soll aber vorerst keine davon aufgenommen werden.

Auch bei uns wird das Gendern als Lernprozess verstanden. Es ist ein Prozess des Verstehens, des Identifizierens von Auswirkungen, des aktiven Entscheidens über die gewünschte Wirkung und des Umsetzens. Nach und nach werden wir weniger über ungewohnte Formulierungen stolpern. Und die Sprache selbst wird uns helfen: Sie lebt und entwickelt sich ständig weiter, wie sie es bis heute getan hat.

Nützliche Tipps und Tools, wie Sie gendergerecht schreiben und sprechen können, finden Sie im Internet, zum Beispiel auf Genderleicht.de.

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