So gelingt die Implementierung eines erfolgreichen agilen Leadership-Modells
Wie gelingt der Roll-out eines agilen Steuerungsmodells? Erfolgreiche agile Teams sind keine Selbstläufer. Sie benötigen gute Rahmenbedingungen und eine Leadership-Kultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Vorreiter für das Arbeiten in agilen Teams war lange Zeit die IT-Branche. Markt- und Kundenanforderungen verändern sich hier fast täglich, Technologien entwickeln sich rasant. Die Digitalisierung verändert inzwischen viele andere Branchen – zum Beispiel die Finanzwirtschaft, Medienkonzerne oder den Einzelhandel. Zahlreiche Unternehmen befinden sich in einem umfassenden Transformationsprozess. Sie müssen sich von etablierten Hierarchien verabschieden, Kommunikationsstrukturen verändern und Entscheidungsprozesse dezentralisieren, um nachhaltig erfolgreich zu bleiben.
Agiles Arbeiten – ein neues Mindset muss her
Viele Firmen haben bereits erkannt, dass sie es sich nicht leisten können ihre alten Strukturen aufrechtzuerhalten und stehen vor der Herausforderung, ein passendes agiles Konzept zu entwickeln. Durch sich stetig verändernde Berufsbilder und den gesellschaftlichen Paradigmenwechsel hin zur Wissens- und Informationsgesellschaft unterstützen agile Methoden und New Work Ansätze den Change-Prozess und ermöglichen Unternehmen zukünftig schneller auf Veränderungen zu reagieren und sich konstant weiterzuentwickeln.
Dass dies nicht funktioniert, wenn es von „oben“ verordnet wird und auch nichts ist, was sich von heute auf morgen umsetzen lässt, versteht sich von selbst. Vielmehr ist die große Herausforderung alle ins Boot zu holen und das Unternehmen von innen heraus neu zu denken. Umso wichtiger, dass die Führungsmannschaft ein agiles Mindset mitbringt und offen für Veränderung ist. Einfluss im Unternehmen definiert sich nicht mehr über Macht, sondern über die eigene Wirksamkeit und die Wirksamkeit des eigenen Teams. Damit geht einher, dass Verantwortung auf viele Schultern verteilt wird, Prozesse gemeinsam gestaltet werden und ein hohes Maß an Transparenz von allen gelebt wird.
Neues Rollenverständnis für Führungskräfte
Agiles Arbeiten umfasst nicht nur die Arbeitsprozesse der Unternehmensorganisation und Teams, sondern bezieht sich auf jede:n Einzelne:n in dieser Organisation. Aufgabenfelder verändern sich, ein stetiger Ausbau des Know-hows der Mitarbeitenden ist unabdingbar. Weiterentwicklungen und Lernen werden so fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Damit formuliert ein Unternehmen einen großen Anspruch an seine Mitarbeitenden.
Deshalb ist es wichtig, eine Kultur und Atmosphäre zu schaffen, in der jede:r gerne arbeitet und ein Arbeitsumfeld zu gestalten, das Kreativität, Kollegialität und Leistungsbereitschaft fördert. Führungskräfte avancieren daher mehr und mehr zu Coaches und Botschaftern der Unternehmensvision. Sie geben Leitplanken vor und unterstützen das Team dabei, innerhalb dieser Leitplanken ihre Ziele eigenverantwortlich zu erreichen. Führungskräfte entwickeln die Stärken ihrer Mitarbeitenden weiter und formen damit die eigene Teamvision.
Tools für agile Führung
Wie gelingt nun die Ausweitung von agilen Arbeitsweisen auf das ganze Unternehmen und damit einhergehend die Implementierung eines umfassenden agilen Steuerungs-Modells?
Bei Adacor haben wir ein Modell entwickelt, das sich aus drei Elementen zusammensetzt, die jeweils einen anderen Zeithorizont abbilden und den Rahmen für das nächstkleinere Element setzen. Dabei war uns besonders wichtig das Unternehmen so aufzustellen, dass sinnvolle Entscheidungen in allen Hierarchieebenen getroffen werden können.
Den übergeordneten Rahmen bilden deshalb feste Informations-Formate. So stellen wir sicher, dass alle im Unternehmen zu jeder Zeit über die notwendigen Informationen verfügen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können und um die interne Abstimmungen zu gewährleisten.
Punktuell eingesetzte crossfunktionale Teams, die gemeinsam an Aufgaben arbeiten, fördern zusätzlich die Autonomie der Mitarbeitenden und die Weiterentwicklung in allen Bereichen. Dazu kommt als Katalysator die neue Rolle von HR um das Unternehmen, alle Teams und Mitarbeitenden bei der erfolgreichen Nutzung der Elemente und Tools zu unterstützen, die Führungskräfte zu coachen und den Prozess der Weiterentwicklung unternehmensweit kontinuierlich voranzutreiben.
Die drei wichtigsten Elemente sind dabei für uns:
- One-Page-Strategy
- Objectives & Key Results (OKR)
- Scrum Sprints
One Page Strategy
Mit der One-Page Strategie auf Teamebene, bzw. One-Page-Vision auf Unternehmensebene bringen alle Teams auf einer DIN-A4-Seite in einem einheitlichen Format folgende Themen zusammen:
- Werte (Interpretation der Unternehmenswerte für das Team)
- Team-Vision / Sinn
- Grundlegende Ziele des Teams
- Rahmen & Standards nach denen gearbeitet wird
- Where to play and how to win (Wer sind unsere Stakeholder, was liefern wir und wie sind darin besonders gut)
- Mittel- und kurzfristige Ziele & Initiativen
- Die zwei wichtigsten KPIs
Die eigene Strategie erarbeiten die Teams selbst, hier geht es darum eine eigene Vision zu entwickeln, sich der Stärken und Schwächen klar zu werden und erste grundlegende Ziele und Initiativen zu definieren. Diese Ziele werden jährlich einer Review unterzogen. Leitplanken für die Entwicklung der eigenen Strategie ist die One-Page-Strategie des Unternehmens von der sich alle Teamstrategien ableiten.
Über allem steht die Mission, also der Zweck des Unternehmens. Das ist der Grund, warum wir das alles tun. Werte: die Interpretation der Unternehmenswerte erarbeitet jedes Team für sich. Das Big Goal ist auch für jedes Team ein eigenes – in der HR-Abteilung ist es das Ziel, der Beste Arbeitgeber Deutschlands zu werden. Das Ziel darf ruhig ambitioniert und berührend sein. Das Markenversprechen ist für alle gleich, die KPIs zur Erreichung setzt sich jedes Team selber. Die strategischen Prioritäten erarbeiten die Teams, ebenso wie die Ziele der nächsten Jahre in Abstimmung mit den Teamleitungen oder der Geschäftsführung. Where to play and How to win ist die Definition der eigenen Spielwiese. Abgerundet wird die Strategie durch das erarbeiten der Schwächen und Stärken des Teams, so entsteht ein strategischer Gesamtblick auf das Team und dessen übergeordnete Ziele.
Die Strategie bildet die übergeordneten Ziele des Teams ab, damit lässt sich aber schwer im Alltag arbeiten. Dafür ist das noch zu abstrakt. Im nächsten Element übersetzen wir daher diese übergeordneten Ein- bis Fünf-Jahresziele in Quartalsziele nach dem OKR Modell.
Objectives & Key Results
Die Management-Methode OKR ermöglicht es, sich im Team – hierarchieunabhängig und transparent – auf ein übergeordnetes Unternehmensziel (Objective) zu fokussieren. Bis zu fünf Key Results formulieren messbare Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel. Bei Adacor werden pro Quartal drei bis fünf OKR auf Unternehmens- und Team-Ebene entwickelt und für alle öffentlich gemacht. Auf der Mitarbeitenden-Ebene verzichten wir aktuell noch auf OKR. Dieser OKR-Baum ermöglicht eine transparente Strategiekommunikation. Die OKR brechen die übergeordneten Ziele und Initiativen aus der Strategie und den Company-OKR auf ein Quartal runter. Mit den eigenen OKR definieren die Teams konkrete Ziele (Objektives), diese beschreiben einen Zustand in der Zukunft. Über die Key Results machen sie die Erreichung dieser Ziele messbar. Im Kern geht es darum, die Unternehmensziele allen Mitarbeitenden verständlich zu machen und gemeinsam festzulegen was wir mit unserer jeweiligen Expertise tun wollen, um diese Ziele zu erreichen.
Anders als bei klassischen Managementmethoden geben nicht die Team- oder Bereichsleitungen einseitig vor, was zu tun ist ohne das Warum oder den Sinn zu erklären, sondern die Zielerreichung ist gemeinsame Sache. Neben dem Ziel-Fokussierten Arbeiten geht es auch um Sinn stiftendes Arbeiten. Die OKR werden gemeinsam entwickelt zwischen Teamleitung und Team und dann mit den Teams im Unternehmen abgestimmt, mit denen Abhängigkeiten bestehen. So haben alle im Blick, wer woran arbeitet und Zuarbeit oder Abstimmung kann für alle Beteiligten geplant stattfinden. Die OKR sind das Tool, das am meisten dazu beigetragen hat, dass die Mitarbeitenden ein anderes Verständnis für ihre Aufgaben bekommen haben. Entscheidungen für ein Projekt oder eine Aufgabe können jetzt von allen viel informierter und strategischer getroffen werden.
Scrum Sprints
Mittels einer Wochen- oder 14-Tage-Planung übersetzen die Teams ihre Quartalsziele in Aufgaben, die in Sprints abgearbeitet werden. Der Einsatz von Sprints und die gemeinsame Planung der Aufgaben, die im nächsten Zyklus bearbeitet werden, ermöglicht es den Führungskräften die Ziele aus den OKR auf Quartalsebene in bearbeitbare Aufgaben und Projekte für die nächsten 7-14 Tage herunter zu brechen und anzugehen. Idealerweise wird mindestens monatlich im Teammeeting der Status der OKR auf Basis, der in den Sprints erreichten Ergebnisse, aktualisiert und abgeglichen.
Ein reines Scrum nach Lehrbuch ist nicht für alle Teams gleichermaßen gut geeignet. So haben z. B. manche Teams Servicedesk-Aufgaben, die sich schlecht mit einem strikt geschützten 14-Tage Sprint vereinbaren lassen. Jedes Team hat deshalb die Freiheit sich aus dem Scrum-Modell derer Methoden und Events zu bedienen, die es für sinnvoll und Mehrwert bietend empfindet.
Ein Grundset an Methoden hat sich dabei in fast allen Teams durchgesetzt:
Sprint-Planung mit nachfolgender Review für alle planbaren Aufgaben
Ad-hoc Arbeit ist immer teurer (aufwändiger) als geplante Arbeit. Daher versuchen wir Ad-hoc Arbeit initial so gut es geht durch Self-Service für die Nutzer & Stakeholder zu eliminieren. Das bezieht sich auf die Services für Mitarbeitenden ebenso, wie auf die Services für Kunden.
Wo das noch nicht funktioniert, übernimmt ein Teil des Teams in Form eines Service Desk diese Arbeit und ermöglicht so dem Rest des Teams einen möglichst großen Teil der Aufgaben geplant in Form von geschützten Sprints umzusetzen.
Die Arbeit in festen gleichlangen Sprints ermöglicht den Umfang der Arbeit besser zu planen und in kurzen Intervallen die Arbeitsergebnisse zu präsentieren, abzustimmen und eventuell Kurskorrekturen vorzunehmen.
Viele Teams schätzen ihre Aufgaben mit Punkten und erzielen so einen Vorteil des Scrum-Frameworks, nämlich die Erfahrung darüber wie viel ein Team im Schnitt leisten kann und dadurch sowohl gegenüber Stakeholdern zuverlässigere Aussagen zur Umsetzung geben kann als auch eine Überlastung des Teams und der Teammitglieder verhindert.
Team-Dailys und Retros
Alle Teams haben inzwischen ein Daily implementiert. Die kurze, in der Regel 10-20-minütige Abstimmung morgens bringt alle Teammitglieder auf den aktuellen Stand, zeigt auf, wo Verzögerungen oder Probleme vorliegen und ermöglicht so Transparenz als auch schnelle Reaktion auf aktuelle Themen, Probleme oder Stolpersteine.
Eine Retrospektive ist ein moderiertes Event in dem Rückblickend auf die letzten Sprints, die letzte Ausschreibung oder das letzte Projekt besprochen wird. Was hat gut funktioniert, was wollen wir beim nächsten Mal anders machen und was lassen wir in Zukunft bleiben. Die Retrospektiven sind vermutlich das Scrum Element, das in den verschiedenen Teams am individuellsten gehandhabt wird. Ob mit oder ohne Moderator, themenbezogen oder in festen Intervallen, teamintern oder teamübergreifend – die Teams nutzen das Format so, wie es in ihren Ablauf und in die eigenen Bedürfnisse passt.
Fazit
Agiles Arbeiten ist ein entscheidender Baustein für den Changeprozess in Unternehmen, um in unserer digitalisierten Wissensgesellschaft nachhaltig am Markt zu bestehen. Die Abkehr von klassischen Managementmethoden ist unabdingbarer Garant dafür, dass die Transformation zum modernen, digital ausgerichteten Unternehmen gelingt. Eine neue Leadership-Kultur, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, ist dabei die grundlegende Rahmenbedingung. Der Transformationsprozess zum agilen Unternehmen gelingt nur, mit einem neuen Mindset der Führungsmannschaft. Sie muss dazu bereit sein, Verantwortung auf viele Schultern zu verteilen. Das hört sich nach einem radikalen Wechsel im Selbstverständnis an. Doch die gute Nachricht ist, dass es mit der One-Page-Strategy, den OKR und Scrum maßgebliche Methoden gibt, die diesen Prozess erfolgreich unterstützen.